Seit dem sogenannten „Liberation Day“ des US-Präsidenten richtet sich der Blick der Investoren verstärkt auf das US-Konsumentenvertrauen. Die Sorge vor einer Rezession – ausgelöst durch die jüngsten Zolleskapaden der Trump-Regierung – könnte sich als selbst erfüllende Prophezeiung erweisen, wenn viele Verbraucher aufgrund der Unsicherheit über ihre künftige Einkommenssituation ihr Einkaufsverhalten anpassen.
Verändertes Konsumverhalten zwingt Hersteller zum Umdenken
Die massiven Preissteigerungen der vergangenen Jahre stellen insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen zunehmend vor finanzielle Herausforderungen. So ist es kaum verwunderlich, dass gerade die Anbieter vergleichsweise preisgünstiger Lebensmittel unter der Kaufzurückhaltung dieser Konsumentengruppe leiden. So verzeichnen beispielsweise die größten US-Fastfoodketten derzeit stärkere Einbußen als vielfach erwartet. Die zunehmende Preissensibilität zwingt viele Lebensmittel- und Getränkekonzerne dazu, verstärkt preisgünstigere Verpackungsformate anzubieten. Während einkommensstärkere Haushalte tendenziell größere Bonus-Packungen – etwa im Club-Format oder online – bevorzugen, reduzieren Geringverdiener ihren Konsum oftmals auf das Wesentliche und greifen gezielt zu kleineren Verpackungseinheiten. Entsprechend rückt die Positionierung im Preiseinstiegssegment stärker in den Fokus. Besonders aktivsind in diesem Zusammenhang in jüngster Zeit die Hersteller von Schokoladen-und Snackartikeln. Diese sehen sich nicht nur mit einer preissensibleren Kundschaft, sondern auch mit stark gestiegenen Kakaopreisen konfrontiert. Um die höheren Rohstoffkosten auszugleichen, hat der Handel die von den Herstellern geforderten Preisanpassungen zuletzt überwiegend akzeptiert. Entscheidend wird nun sein, inwieweit die Konsumenten diese Preiserhöhungen -insbesondere nach Ostern - tatsächlich mittragen. Bisher hat sich die Nachfrageelastizität bei Schokoladeprodukten zumindest als begrenzt erwiesen.
Importzölle und Rohstoffkosten belasten Kaffeehersteller
Auch die Kaffee-Kategorie weist generell eine geringere Preissensitivität auf. Das Ausmaß der aktuell notwendigen Preisanpassungen aufgrund gestiegener Rohstoffpreise dürfte aber auch hier das Kaufverhalten zumindest temporär beeinflussen. Erfahrungsgemäß benötigen Konsumenten eine gewisse Zeit, um sich an ein neues, höheres Preisniveau zu gewöhnen. Hochpreisige Kaffeeketten wie Starbucks dürften diese Entwicklung in Form sinkender Kundenfrequenz am ehesten zu spüren bekommen.
Sollten die angekündigten US-Importzölle auf vietnamesischen Robusta-Kaffee tatsächlich umgesetzt werden, dürfte zusätzlicher Preisdruck entstehen - die US-Kaffeeröster dürften dann erneut an der Preisschraube drehen. Unter Berücksichtigung der branchenüblichen Absicherungsstrategien ist bei Schokoladen- und Kaffeeherstellern wohl erst ab dem Jahr 2026 mit einer Erholung der Roherträge zu rechnen. Investoren in diesem Segment müssen sich also in Geduld üben. Sollte die US-Regierung jedoch überraschend Ausnahmeregelungen für Kakao- und Kaffeebohnen erlassen, dürfte das Risiko weiterer Gewinnenttäuschungen entsprechend sinken.
Abgesehen von der Kaffee-und Schokoladenproduktion sowie der Spirituosenindustrie ist die Nahrungs- und Genussmittelindustrie bisher deutlich weniger vom Zollstreit betroffen als andere Branchen. Lebensmittel werden meist lokal produziert oder fallen noch unter das kanadisch-mexikanische Handelsabkommen USMCA. Dementsprechend sind auch europäische Lebensmittelkonzerne wie Nestlé oder Unilever mit Produktionsstandorten in den USA nur begrenzt von den neuen Zusatzzöllen betroffen.
Wachsende Marktchancen für natürliche und zuckerfreie Alternativen
Stärker im Blick behalten sollte man die geplanten Gesetzesinitiativen des neuen US-Gesundheitsministers Robert F. Kennedy Junior (RFK Jr.). Zwar hat er sich bisher mit konkreten Vorstößen zurückgehalten, doch will er demnächst erste Maßnahmen zur Förderung einer grundsätzlich gesünderen Ernährung auf den Weg bringen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Reduzierung synthetischer Lebensmittelzusatzstoffe - allen voran die Verwendung künstlicher Farbstoffe wie Red3, Red40, Yellow5 und Yellow6.
Da natürliche Farbstoffe in den USA - vor allem wegen ihrer geringeren Haltbarkeit und Stabilität - bislang weniger verbreitet sind als in Europa, ergibt sich für die dortigen Lebensmittel- und Getränkehersteller ein erheblicher Reformulierungsbedarf. Davondürften insbesondere die auf natürliche Inhaltsstoffe spezialisierten Zusatzstoffhersteller profitieren, von denen einige börsennotiert sind.
Reformulierungsdruck trifft Getränkehersteller – Ergänzungsprodukte im Aufwind
Ein weiteres zentrales Anliegen von RFK Jr. ist die Reduzierung des Zuckerkonsums. So wird derzeit diskutiert, zuckerhaltige Softdrinks aus dem US-Hilfsprogramm „SNAP“ für einkommensschwache Bevölkerungsschichten auszuschließen. Die betroffenen Unternehmen verweisen darauf, dass sie den Zucker- und Kaloriengehalt ihrer Produkte in den letzten Jahren bereits deutlich reduziert haben. Dennoch sind weitere Reformulierungsbemühungen erkennbar, um den Zuckergehalt weiter zu reduzieren. Zuckerfreie Getränke- und Nahrungsoptionen gewinnen nicht nur in den USA kontinuierlich Marktanteile.
Trotz des rückläufigen Konsumentenvertrauens zeigt sich der Markt für Nahrungsergänzungsmittelbemerkenswert stabil. Das bestätigt auch eine aktuelle Marktstudie von McKinsey: Über 80 Prozent der Befragten planen, ihre Ausgaben für gesundheitsfördernde Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel beizubehalten oder sogar zu erhöhen. Vor allem rezeptfreie Präparate zur Stärkung des Immunsystemsund der Magen- und Darmgesundheit werden verstärkt nachgefragt.
Die demografische Entwicklung unterstützt auch das Wachstum in angrenzenden Bereichen: Der Bedarf an medizinischer Trink- und Sondennahrung nimmt weiter zu. Hinzu kommt die wachsende Verbreitung sogenannter „Abnehmspritzen“, die das Interesse an eiweißreichen Milchprodukten und funktionalen Protein-Drinks beflügelt – zur Unterstützung des Muskelerhalts. Umfragen zufolge hat sich der Joghurtkonsum in Haushalten, in denen solche Produkte verwendet werden, verdreifacht. Zudem erlaubt die US-Gesundheitsbehörde inzwischen, die positive Wirkung von Joghurt für Diabetiker gezielt zu bewerben. Da Joghurt in den USA bislang deutlichweniger verbreitet ist als in Europa, könnte das neue Interesse an diesen Produkten mehr als ein kurzfristiger Trend sein. Danone ist in diesem Segment besonders stark positioniert.
Zollrisiken und Kaufkraftverluste: Wer vor Ort produziert, ist im Vorteil
Inwieweit der US-Zolldisput zu einer Abschwächung der weltweiten Nachfrage führen wird, lässt sich derzeit kaum seriös abschätzen – nicht zuletzt, weil unklar ist, mit welchen Ländern die US-Regierung letztlich doch noch tragfähige Handelsabkommen schließen wird. Klar ist aber: In Ländern wie China, Indien, Vietnam oder Bangladesch könnte ein Rückgang der US-Exporte die Beschäftigung belasten - und damit die Kaufkraft weiter schwächen.
In einem solchen Umfeld dürften vor allem Unternehmen profitieren, die besonders nachfragestarke Lebensmittel direkt vor Ort produzieren. In China beispielsweise steigt die Nachfrage nach Babynahrung derzeit wieder - unabhängig von der Zollthematik, aber begünstigt durch eine höhere Geburtenrate nach dem so genannten Drachenjahr. In Indien wiederum nimmt die Verbreitung von Kühlschränken stetig zu - mit der Folge, dass sich der Konsum von Speiseeis in den letzten zehn Jahren fast vervierfacht hat.
Aus Sicht internationaler Investoren stellt sich allerdings ein Problem: Das Wachstum in diesen Märkten wird häufig von lokal verankerten Unternehmen getragen, die kaum investierbar sind. Eine indirekte Beteiligung ist daher meist nur über die global aufgestellte Lebensmittelzusatzstoffindustrie möglich. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die führenden Anbieter von Zusatzstoffen in den Regionen außerhalb der etablierten Märkte doppelt so hohe Wachstumsraten erzielen wie im globalen Durchschnitt.
Zölle, Zinsen, Nachfrage: Chancen für Lebensmittelaktien
Eine Rezession in den USA kann nicht mehr ausgeschlossen werden. Nahrungsmittel bleiben jedoch ein unverzichtbarer Grundbedarf. Statt teurer Restaurantbesuche dürften viele Verbraucher auf preiswerte Mahlzeiten zu Hause ausweichen. Die schwache Umsatzentwicklung zu Jahresbeginn ist zu einem großen Teil auf ungünstige Kalender- und Witterungseffekte – unter anderem auf die kalendarische Verschiebung der Osterfeiertage – zurückzuführen. Im weiteren Jahresverlauf ist daher mit einer allmählichen Verbesserung der Geschäftsentwicklung bei vielen Lebensmittel- und Getränkekonzernen zu rechnen. Mit Blick auf mögliche Belastungen durch die US-Zollpolitik erscheinen europäische Titelvergleichsweise weniger risikobehaftet – allerdings gilt es, Währungsrelationen und das jeweilige Länder-Exposure genau im Blick zu behalten.
Zinssenkungen auf beiden Seiten des Atlantiks könnten dem lange vernachlässigten Nahrungsmittelsektor zusätzlichen Rückenwind verleihen. Besonders aussichtsreich sind Segmente, die von strukturellem Wachstum profitieren - etwa der steigenden Nachfrage nach Proteinprodukten oder dem wachsenden Bedarf an Lebensmittelzusatzstoffen bei lokalen Kunden in Südostasien.