Technologisch wird in Bezug auf Künstliche Intelligenz (KI) oftmals von einer neuen Ära gesprochen, die dieses Jahr eingeläutet wurde. So etwas passierte in der Vergangenheit in etwa alle zehn Jahre. Durchlaufen wir ein ähnliches Muster, stehen wir damit erst am Anfang der KI-Ära.
Viele Aktien im Technologiebereich haben von den Entwicklungen im Bereich KI bereits jetzt stark profitiert. Dazu gehören u.a. die Cloud Hyperscaler Amazon, Google, Microsoft und natürlich der bekannte Chiphersteller NVIDIA. Die genannten Unternehmen gehören auch zu den sogenannten “glorreichen Sieben”, die fast ausschließlich die positive Gesamtperformance des S&P 500 dieses Jahres getrieben haben. Entsprechende hoch sind auch die Bewertungen dieser Unternehmen am Aktienmarkt. Doch von der enormen Nachfrage nach den Computerchips, die künstliche Intelligenz erst möglich machen, profitieren auch viele Unternehmen, die im Herstellungsprozess aktiv sind.
275 Milliarden Dollar Marktpotenzial bis 2027?
Viele dieser Unternehmen haben seit Beginn des KI-Booms eine positive Entwicklung durchlaufen, was natürlich keine Garantie für die zukünftige Entwicklung ist - stärkere Korrekturen in dem Bereich sind keinesfalls ausgeschlossen. Dennoch schätzt Morgan Stanley Research das Volumen des KI-Technologiemarkts (Chips, Hardware, Netzwerk) heutzutage auf ca. 98 Mrd. US-Dollar (USD) und geht von einem Wachstum auf 275 Mrd. USD bis 2027 aus.
Viele der Unternehmen in der Lieferkette haben ihren Hauptsitz in den USA oder in Asien (primär in Taiwan), aber es gibt auch einige in Europa. Es handelt sich größten Teils um hochspezialisierte Firmen, deren Marktkapitalisierung teilweise nur wenige Milliarden US-Dollar beträgt. Einige haben sogar eine ähnlich starke Performance wie NVIDIA in diesem Jahr erzielt, obwohl sie erheblich unbekannter sind.
Der Markanteil von NVIDIA für sogenannte Künstliche Intelligenz Graphics Processing Units (AI-GPU) liegt bei etwa 80 Prozent. Dieser Marktanteil dürfte allerdings in Zukunft etwas zurückgehen, da ein wichtiger Konkurrent, der High-Performance- und Adaptive Computing Produkte herstellt, dieses Quartal einen neuen Chip auf den Markt bringen will. Der sogenannte AI-GPU MI300 Chip ist speziell für “Large Language Models” wie z.B. Chat GPT konzipiert. Auch andere große IT-Konzerne haben Milliarden im Bereich KI investiert.
Komponenten auf engstem Raum
Für technischen Fortschritt bedarf es immer leistungsfähigerer Chips, die geplant und designt werden müssen. Fast 60 Jahre lang hat sich die Anzahl der Transistoren in einem Chip etwa alle zwei Jahre verdoppelt. Dieses „Gesetz“ war eine Beobachtung des ehemaligen Intel-CEOs Gordon Moore im Jahr 1965.
Diese Geschwindigkeit kann mittlerweile aber nicht mehr eingehalten werden. Daher hat die Chipindustrie begonnen verstärkt in anderen Bereichen des Designs oder der “Architektur” eines Chips Optimierungen umzusetzen, sodass die Gesamtperformance der Chips weiterhin ähnlich stark zunimmt. Das hat allerdings den Designprozess für Chips sehr aufwändig gemacht. Die derzeitige Architektur des aktuellen NVIDIA AI-Chips H100 beheimatet zum Beispiel 80 Milliarden Transistoren, und das gesamte HGX H100 Board mit mehreren Chips besteht aus bis zu 45.000 verschiedenen Komponenten, die alle miteinander und parallel kommunizieren müssen.
Chip Designer expandieren
Die Entwicklung eines Chips kostet daher heutzutage mehrere hunderte Millionen USD. Zudem muss der Chip ausgiebig getestet werden, bevor er in die Massenfertigung gehen kann.
Für die Entwicklung dieser Designs gibt es spezialisierte Firmen, die u.a. bereits entwickelte Teilkomponenten als Bausteine mit anbieten. Dies erspart wiederum Zeit und Kosten für die Chipingenieure bei der Entwicklung neuer Chips, sodass das Rad nicht jedes Mal neu erfunden werden muss.
Zu den globalen Marktführern im Chipdesign gehören zwei amerikanische und ein englisches Unternehmen. Einige dieser Unternehmen expandieren jetzt auch in andere zukunftsträchtige Bereiche, wie selbstfahrende Autos und High-Performance Server für Datacenters sowie “Smart Home” Geräte und “Wearables”.
Trend geht zum Spezial-Chip
Neben der explodierten Nachfrage nach “Allround” Chips für verschiedenste Anwendungen gibt es auch eine starke Entwicklung hin zu Chips, die eigens für bestimmte Zwecke entwickelt werden. Viele dieser Chips werden in Sachen Kosten/Nutzen optimiert. In diesem Bereich gibt es hochspezialisierte, kleinere taiwanesischen Chipdesigner, die vor allem viel für Amazon, Google, Microsoft und für einen bekannten amerikanischen Elektroautohersteller produzieren.
Neben Chips, die vor allem für künstliche Intelligenz Anwendungen entwickelt werden, gibt es auch Hersteller, die sich mehr auf Hochleistungs-Speicherchips spezialisiert haben. Diese werden High-Bandwidth-Memory (HBM) Chips genannt. In diesem Bereich dominieren zwei südkoreanische Firmen. Auch die genaue Verbauung der Chips und die Verbindung zu anderen Komponenten ist technologisch bereits so anspruchsvoll, dass es hier für spezialisierte Unternehmen gibt. Hinzu kommen noch Hersteller für die Leiterplatten der elektronischen Bauteile. Diese werden Platinen genannt. Hier sind vor allem Zulieferer aus Taiwan für langlebige und zuverlässige Produkte in hoher Qualität bekannt.
AI-Server sind nachgefragt
Kunden wie Amazon, Google, Meta oder Microsoft kaufen oft nicht direkt das einzelne KI-Board (mit all den Komponenten darauf), sondern gleich ganze KI-Server. Das sind Computer, in denen alle Komponenten inkl. Netzwerk- und Stromanschlüssen, KI-Board, zusätzliche CPUs, Speicher, Kühlung etc. aufeinander abgestimmt und für beste Performance verbunden und vorbereitet sind, so dass diese nur noch im Data Center des Kunden angeschlossen werden müssen. Auch in diesem Bereich gibt es einige interessante Firmen aus Taiwan, die man als Anleger in Betracht ziehen könnte
Ohne Test keine Chips
Die einzelnen Komponenten müssen vor Auslieferung umfangreich getestet werden. Ein NVIDIA KI-System (Platine mit Komponenten und Chips) kostet je nach Ausstattung zwischen ca. 20.000 USD und 75.000 USD. Die Prüfung ist eine sehr komplexe Angelegenheit und kann mehrere Wochen dauern. Daher gibt es auch hier, wie an der gesamten Lieferkette entlang Unternehmen, die sich auf diese Dienstleistung spezialisiert haben. Firmen aus Japan und Taiwan sind in diesem Bereich besonders gut aufgestellt.
Für Anleger kann es sich lohnen, den Blick vorbei an den populären Bluechip-Aktien im KI-Bereich auf die Unternehmen in der zweiten Reihe schweifen zu lassen. Da beinahe jeder Schritt in der Wertschöpfung ein hohes Maß an Spezialisierung erfordert, finden sich hier zahlreiche spannende Unternehmen, die Investoren zukünftig Freude bereiten könnten. Ganz egal ob in der Herstellung einzelner Komponenten, ganzer Rechner oder auch im Testing der Chips.