Deutsche Wohnimmobilienaktien sind im letzten Jahr stark unter Druck geraten. Hauptbelastungsfaktor waren die gestiegenen Zinsen. Die Renditen 10-jähriger Bundesanleihen (zu Jahresanfang noch negativ) stiegen auf in der Spitze 2,5% und notieren aktuell bei 2,2%. Die Zinskosten für ein 10jähriges Hypothekendarlehen liegen aktuell zwischen 3,5-4%.
Hinzu kam, dass jahrelang die Immobilienpreise stärker als die Mieten gestiegen sind. Dementsprechend schmolzen die Nettoportfoliorenditen der gelisteten Wohnimmobilienbestandshalter auf 3-4% ab. Die Finanzierungskosten liegen zwar noch bei deutlich unter 2% und haben zudem eine relativ lange Duration (Laufzeit). Sollten aber die Zinssätze auf dem hohen Niveau verharren oder gar noch steigen, wären die Zinssätze ähnlich hoch wie die Portfoliorenditen. Fallende Immobilienpreise scheinen somit unausweichlich.
Weitere Preisrückgänge erwartet
Aktuell sind die Verschuldungsquoten zwar noch moderat, mit Portfolioabwertungen werden jedoch auch diese steigen. Bereits im letzten Jahr kippte der Immobilienmarkt. Das Angebot an Immobilien (beim führenden Immobilienportal Immoscout 49% mehr Verkaufsinserate in 2022 als in 2023) ist deutlich höher als die Nachfrage. Zudem weitet sich die Schere zwischen Kaufpreisvorstellung von Verkäufern und Käufern. Transaktionen sind eingebrochen. Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2022 waren erstmals wieder Preisrückgänge in einigen Regionen zu verzeichnen. Für dieses Jahr erwarten Experten einen Preisrückgang von 5-10%.
Dennoch mehren sich die Anzeichen einer Trendwende bei Immobilienaktien. Die Inflation ist zwar sowohl in den USA, als auch in Europa, auf hohem Niveau, jedoch ist sie besonders in den USA bereits seit einigen Monaten rückläufig. So sank die Kerninflation (ohne Nahrungsmittel und Energie) in den USA auf 5,7% im Dezember. In Deutschland ist die Kerninflation seit Oktober bei 5% stabil geblieben, stieg im Dezember leicht auf 5,2%. Erfreulich war vor allem die Entspannung bei den Energiekosten. Dank des milden Wetters und Einsparungen seitens Industrie und Haushalten konnte eine Gasmangellage in Deutschland vermieden werden. Der Gaspreis ist mit 56 €/MWh mittlerweile wieder auf dem Niveau vor dem Ukrainekrieg. Auch Strom- und Ölpreis sind jüngst wieder deutlicher gefallen. So ist die Inflation inklusive Nahrung und Energie von ihrem Hochpunkt im Oktober von 10,4% auf 8,6% im Dezember gefallen.
Zinsumfeld als entscheidender Faktor
Sicherlich wird es noch dauern, bis in den USA und später bei der EZB die Zinswende eingeleitet wird, jedoch wirken die Zinserhöhungen und die Inflation lässt nach. Eine Zinswende „irgendwann“ im Laufe der zweiten Jahreshälfte scheint daher nicht völlig ausgeschlossen. Dementsprechend kam es jüngst weltweit zu einer Erholung bei Immobilienaktien. Vor allem die stark gefallenen deutschen Wohnimmobilienwerte konnten von der nachlassenden Inflation und der Hoffnung einer baldigen Zinswende profitieren. Trotz Erholung sind die Bewertungen der Aktien immer noch sehr niedrig. Die Abschläge der Aktien zum inneren Nettovermögenswert NTA (Net Tangible Asset) sind weiter sehr hoch. Oder anders ausgedrückt: Der Markt antizipiert immer noch Bewertungskorrekturen von 25-30% auf die entsprechenden Wohnportfolios der gelisteten Gesellschaften. Dies könnte sich jedoch als übertrieben herausstellen.
Vieles spricht dafür, dass die Expertenschätzungen eines Preisverfalls von 5-10% eher stimmen. Dr. Gesa Crockford, Geschäftsführerin von Immoscout24, erwartet sogar keinen nachhaltigen Preisrückgang und glaubt, dass es sich eher um eine Preiskorrektur von kurzer Dauer handelt. Sie rechnet mittelfristig wieder mit einer Verknappung des Angebots. Saisonbereinigt scheint die Nachfrage für Kaufimmobilien im 3. Quartal 2022 die Talsohle erreicht zu haben. Im 4. Quartal 2022 stieg die Nachfrage bereits wieder in vier der fünf größten Städte (einzige Ausnahme Köln). Gut möglich aber auch, dass Experten den Zinseffekt unterschätzen bzw. der Markt ihn überschätzt und die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt. Letztendlich dürfte eine Stabilisierung beim Zinsumfeld der entscheidende Faktor für eine Stabilisierung des Immobilienmarkts sein.
Neubauprojekte stocken
Hauptargument für einen nur moderaten Rückgang ist eine nie dagewesene Wohnungsknappheit. Über 700.000 Wohnungen fehlen derzeit. Vor allem in gefragten Ballungszentren gestaltet sich die Wohnungssuche schwierig. Es werden immer weniger Wohnungen gebaut. Steigende Zinsen und Baukosten (aktuell +17%) haben zu einem Einbruch bei Neubauprojekten geführt. In 2022 wird das Neubauziel der Bundesregierung von 400.000 Wohnungen klar verfehlt. Das Ifo-Institut geht von 290.000 Einheiten aus. 2023 und in den kommenden Jahren sei 200.000 eine realistische Zahl. Der Tiefpunkt könnte demnach 2024 erreicht sein.
Erschwerend kommt hinzu, dass zwischen Projektbeginn bis Fertigstellung in der Regel 18 bis 24 Monate vergehen. Selbst wenn jetzt mehr Neubauprojekte begonnen werden, ist frühestens in 2025 mit einer Entspannung beim Wohnungsmangel zu rechnen. Zudem ist infolge des Ukrainekriegs der Zuzug rasant gestiegen. Mit einer Nettozuwanderung laut Statischem Bundesamt von über 1,3 Mio. bis Oktober 2022 (allein 860.000 Menschen aus der Ukraine) ist diese schon höher als in der Flüchtlingskrise 2015. Zwar ist der Mietmarkt in Deutschland stark reguliert, jedoch steigt der Druck auf die Mieten. So beschleunigte sich das Mietwachstum bei Neuvermietungen im 3. Quartal nach einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) auf 5,8% bzw. laut Immoscout auf +4,1% im 4. Quartal.
Da der Mietspiegel auf einem Betrachtungszeitraum von sechs Jahren basiert, wird es allerdings dauern, bis Wohnungsgesellschaften vom höheren Mietwachstum profitieren können. Neben der Wohnungsknappheit wirken die gestiegenen Baukosten stabilisierend auf die Immobilienpreise. Sie sorgen für weniger Neubau und eine größere Preisdifferenz zwischen Neubau- und Bestandsimmobilien. Hauptargument für fallende Immobilienpreise sind die niedrigen Nettorenditen der Portfolios der Bestandshalter (zwischen 3-4%) im Vergleich zum jetzigen gestiegenen Zinsniveau (zwischen 3,5-4% bei einer Refinanzierung auf 10 Jahre).
Es muss allerdings auch berücksichtigt werden, dass sich die Bestandsmieten nur sehr langsam an die Marktmieten anpassen. Aktuell liegen die Nettokaltmieten der gelisteten Wohnungsgesellschaften 20-30% unter den Marktmieten. Bezogen auf das Marktmietniveau wären die Mietrenditen schon eher bei 5%. Auch waren extreme Preisrückgänge in der Vergangenheit selten zu beobachten. Nur in der US-Subprimekrise 2008 sowie in der japanischen Häuserblase 1990 waren Preisrückgänge von mehr als 20% zu verzeichnen.
Fazit und Ausblick
Angesichts einer nachlassenden Inflation ist eine Erholung bei deutschen Wohnimmobilienaktien möglich. Sicherlich wird die Zinswende bei der EZB noch dauern, aber die Leitzinserhöhungen fangen an zu wirken und auch die Entspannung bei den Energiekosten helfen. Eine vom Markt antizipierte Korrektur bei den Immobilienpreisen von 30% erscheint vor diesem Hintergrund übertrieben. Dafür sprechen auch der stockende Neubauprozess und die zumindest temporär steigende Nachfrage aufgrund von Fluchtbewegungen.