Der große Kapitalmarktausblick 2021 (Teil 1)

19
.
November
2020
·
Investieren und Geldanlage

Das Jahr 2020 stand primär unter dem Einfluss der Corona-Pandemie. Im 1. Quartal gab es den schnellsten und schärfsten Börseneinbruch weltweit in der Wirtschaftsgeschichte. Der Corona-Schock traf die Welt in einer sehr verletzlichen Situation, in der sich die Konjunktur bereits international deutlich abschwächte, so dass die Pandemie den bestehenden Abwärtstrend noch einmal massiv verstärkte.

Investitionsneigung als Konjunkturindikator

Die US-Zentralbank hatte den Fehler gemacht, die Bilanzsumme viel zu lange (bis September 2019) zu reduzieren und damit die Wirtschaft lange zu bremsen. Mit Verweis auf die sehr niedrige Arbeitslosenquote wollte die Zentralbank lange nicht einsehen, dass massive monetäre Stimulierung notwendig war, um den bereits vor Corona bestehenden Abwärtstrend der US-Konjunktur aufzufangen. Wie von uns immer wieder betont, ist der US-Arbeitsmarkt aber kein Frühindikator und eignet sich in keiner Weise als Barometer für die zukünftige Konjunkturentwicklung. Wir verwiesen darauf, dass die Investitionsneigung der Unternehmen der herausragende Konjunkturindikator ist.

Wegen schwachen Wirtschaftswachstums und ohnehin sehr niedriger Kapazitätsauslastung der US-Unternehmen kam es in der zweiten Jahreshälfte 2019 de facto zu einem Investitionsstillstand. Als aber die Börsen stärker und schneller einbrachen als 1929 oder 1987, schaltete die US-Notenbank schneller auf massive Expansionen als in früheren Rezessionen und versuchte damit den vorangegangenen massiven Steuerungsfehler auszugleichen. Auch die Trump-Regierung schaltete schneller und massiver als die Obama-Regierung in der Finanzkrise 2008 auf massive Stimulierung. Das ohnehin schon vor der Pandemie hohe US-Staatsdefizit – um die schwache Konjunktur abzufangen – wurde noch einmal vervielfacht: mit Steigerungsraten, die zuletzt 1943 im Zweiten Weltkrieg zu beobachten waren.

Börsen auf Erholungskurs

Durch die massiven monetären fiskalpolitischen Stimulierungen konnten sich Wall Street und die Weltbörsen ungewöhnlich schnell und stark erholen. Von unserem Haus wurde auf dem Tiefstand der Börse eine V-artige Erholung vorausgesagt, während sonst Vergleiche mit dem Anfang der Weltwirtschaftskrise 1929/1932 gezogen wurden und die meisten Beobachter nicht von einer V-artigen, sondern eher von einer W-artigen Erholung mit neuen Tiefstkursen ausgingen. Das Ifo-Institut sprach von bis zu 20 Prozent BIP-Einbruch in Deutschland, während sich gegen Jahresende jetzt wahrscheinlich nur eine Schrumpfung von ca. 5 Prozent abzeichnet. Die meisten Beobachter unterschätzten die Börsenerholungschancen in ihrer Schnelligkeit und ihrem Ausmaß.

Fast das ganze Jahr über wurde darauf hingewiesen, dass sich die Börse mit ihrem Anstieg total von den wirtschaftlichen Realitäten gelöst hätte und entsprechend eine neue Baisse zu erwarten sei. Übersehen wird dabei von den meisten, dass die monetäre Konjunkturstimulierung der Wirtschaftsgeschichte immer einen Zeitvorlauf vor der realen Wirtschaft von etwa einem Jahr hat – so erstmals in den wissenschaftlichen Arbeiten von Dr. Ehrhardt Anfang der 1970er Jahre erarbeitet. Monetäres Knowhow in Bezug auf die Börsenentwicklung hatte uns auch schon während der Internetkrise 2000/2003 und während der Finanzkrise 2008/2009 ein relativ gutes Marktabschneiden ermöglicht.

Geld- und fiskalpolitische Stimulierung bestimmen Börsenjahr 2021

Die Konjunktur- und Börsenentwicklung 2021 sollte ganz wesentlich im Zeichen der anhaltenden monetären Stimulierung stehen. Da die Federal Reserve und die Europäische Zentralbank ihre Quantitative-Easing-Bemühungen in der zweiten Jahreshälfte 2020 noch einmal massiv verstärkt haben, ist mit entsprechend positiven Börsen- und Konjunkturentwicklungen im Jahre 2021 zu rechnen. Im Hinblick auf die monetären Zeitverzögerungseffekte (Lags) sollten wir daher im 1. Halbjahr 2021 eine günstige Börsenentwicklung beobachten können. Die Börsenentwicklung des 2. Halbjahres dürfte ganz wesentlich davon abhängen, ob die US-Zentralbank an ihrer Stimulierungspolitik festhält oder eine überraschend gute US-Konjunkturentwicklung und eine anziehende US-Inflation die Zentralbank zurückrudern lässt. Der Zeitverzögerungseffekt monetärer Maßnahmen auf die Börse liegt bei etwa sechs Monaten, so dass darüber hinausgehende Börsenprognosen schwierig sind.

Viel dürfte auch davon abhängen, inwieweit die von der US-Regierung versprochenen fiskalpolitischen Stimulierungen tatsächlich umgesetzt werden können. Dazu ist die Zusammensetzung des US-Senats wichtig. Da sich erst im Januar 2021 entscheidet, wer hier die Mehrheit kontrolliert, sind auch in Sachen Fiskalpolitik genaue Prognosen noch nicht möglich. Einer von republikanischer Seite gesteuerter Senat dürfte die in Aussicht gestellten Fiskalstimulierungen in Billionen-Höhe wahrscheinlich stark zusammenstreichen. Ein demokratischer Senat würde wahrscheinlich mit Beträgen von 2-5 Bio. US-Dollar stimulieren. Nicht unterschätzt werden sollte, dass bei solchen drastischen Ankurbelungen auch die Inflationsgefahren wieder wachsen können. Eigentlich sind Rezessionszeiten oder Perioden mit schwachem Wirtschaftswachstum, wie schon in den vergangenen zehn Jahren, durch niedrige Inflationsraten gekennzeichnet. Eine Überstimulierung auch mit Helikoptergeld könnte die Nachfrage an den Warenmärkten aber so steigern, dass die Teuerungsrate überraschend anzieht. In einem solchen Falle müsste man im Jahresverlauf 2021 die heute positiven Börsenprognosen überdenken.

US-Inflation als zentraler Faktor für Notenbankpolitik

Generell ist die Entwicklung der US-Inflation äußerst wichtig für die zukünftige FED-Politik. Zwar hat man schon heute ein Festhalten an den rekordniedrigen Zinssätzen in den nächsten drei Jahren in Aussicht gestellt. Dies dürfte aber von der Notenbank korrigiert werden, wenn sich überraschend massive Teuerungsraten durchsetzen würden. Zunächst dürfte die Zentralbank aber relativ großzügig sein und die Zügel noch nicht anziehen, auch wenn die Teuerungsrate deutlich über 2 Prozent steigt. Man spricht von symmetrischer Inflationssteuerung. Das heißt, für die längere Periode mit Teuerungsraten unter 2 Prozent will man auch längere Perioden von über 2 Prozent zulassen. Das dürfte aber kaum gelten, wenn sich die Teuerungsrate mehr als verdoppelt. 

Ohne wesentlich höhere US-Löhne, deutliches Herabfahren der Sparquote, kräftige Ausdehnung der Konsumkredite und Beschleunigung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ist allerdings eine starke Ausdehnung der US-Inflation eher unrealistisch. Wegen ihrer Bedeutung für die Zentralbankpolitik muss die US-Inflation genauestens beobachtet werden – besonders im Immobilienbereich, der sehr hoch bei Mieten und Eigennutzung gewichtet ist. Allerdings ist durchaus möglich, dass Befürchtungen in Sachen Inflation und daran gekoppelten US-Zinsanstieg 2021 genauso falsch sind wie in den vergangenen zehn Jahren – wo regelmäßig von den Notenbanken eine deutliche Erhöhung dieser Schlüsselgrößen jeder volkswirtschaftlichen Entwicklung erwartet wurden.

Geopolitische Spannungen bleiben ein Risikofaktor

Neben der Pandemie spielte 2020 und in den Vorjahren auch der beginnende neue Kalte Krieg zwischen West und Ost eine Rolle. Es gab nicht nur Beschränkungen des Welthandels in Richtung China, sondern auch Richtung Europa. Es ist zu hoffen, dass die USA ihre geopolitische Aggression 2021 zurücknimmt. Sicher ist dies allerdings nicht, wie die Auseinandersetzungen über die Subventionen der Flugzeugbauer oder die Sanktionen gegen Deutschland wegen Nord Stream 2 zeigen. Geopolitik ist also ein Risiko für 2021. Dazu zählt auch die zukünftige Entwicklung in Weißrussland – dem letzten Pufferstaat zwischen NATO und Russland nach dem Fall der Ukraine an den Westen. Auch die chinesischen Territorialansprüche im Südchinesischen Meer könnten für vorübergehende Unruhe sorgen. Solche politischen Einflüsse überdecken den zugrunde liegenden positiven monetären Gesamtbörsentrend aber in der Regel nur kurzfristig.

US-Dollar als geopolitische Waffe gegen China

Eine weitere wichtige Rolle dürfte die Währungsentwicklung bei den Börsenaussichten 2021 spielen. Ein schwacher Dollar war in der Vergangenheit positiv für die Weltbörsen, da er mit einer Liquiditätsentspannung einherging. In der Vergangenheit fiel der Dollar regelmäßig nach Überwindung einer Rezession – und die zuvor in den sicheren Hafen Dollar geströmten Gelder flossen zurück in die Heimatländer. Besonders China litt in einer Rezession wegen seiner hohen Dollarkredite überdurchschnittlich. Ein starker Dollar wäre also auch eine geopolitische Waffe gegen China. Genauso wie die von den USA ausgesprochenen Exportverbote modernster Halbleiter an China. Ein Faktor, der die chinesische Wirtschaftsentwicklung äußerst empfindlich bremsen könnte.

Trotzdem werden sich die Chinesen bemühen, spätestens bis 2025 in allen Schlüsselindustrien der Welt führend zu sein. Soziale Unruhen, wie wir sie in den USA gesehen haben, sind in China nicht zu erwarten. Die Bevölkerung steht hinter der Regierung und nationale Interessen stehen hoch im Kurs. Das Land ist stolz auf seine gegenüber dem Westen überlegene Steuerung der Pandemie-Krise. Nicht nur in China, auch in ganz Asien hat man die Pandemie bzw. die Begrenzung der Opferzahlen unvergleichlich erfolgreicher gesteuert als in Europa oder Nord- und Südamerika. Am schlechtesten verlief die Entwicklung in Großbritannien, USA und Frankreich.

Europa, Asien und mehr

Wie Dr. Jens Ehrhardt die Entwicklung für Europa und Asien einschätzt und welche Faktoren aus seiner Sicht hier tonangebend sein werden, erfahren Sie in Teil 2 des großen Kapitalmarktausblicks 2021 (Hier verfügbar ab 21.11.2020).

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