Ändern sich die Rahmenbedingungen in der Wirtschaft, beispielsweise so wie gerade erst durch die Leitzinssenkung in den USA, wirkt sich das auch direkt und indirekt auf die Kapitalmärkte aus. So geraten Aktien, die eben noch jedermanns Liebling waren, plötzlich ins Hintertreffen – und vice versa. Dieses Phänomen nennen Experten „Sektor Rotation“. Was sich genau hinter diesem Begriff verbirgt und warum Anleger damit vertraut sein sollten, erklären wir in diesem Beitrag.
Was die Forschung sagt
Ursprünglich basiert das Konzept der Sektor Rotation auf den Analysen des renommierten Wirtschaftsforschungsinstituts NBER (National Bureau of Economic Research). Hier forschten schon Nobelpreisträger wie Robert Shiller, Paul Krugman oder Joseph Stiglitz. Die Daten des NBER haben gezeigt, dass Konjunkturzyklen seit dem 19. Jahrhundert vergleichsweise konstant verlaufen sind. Die verschiedenen Phasen innerhalb dieser Zyklen zeichnen sich wiederum durch bestimmte Charakteristika, etwa die Produktivität einer Volkswirtschaft oder die Zinsentwicklung aus – womit sich der Kreis zur Einleitung schließt.
Konjunktur antizipieren, um Portfolios zu positionieren
Es gibt also unterschiedliche Aktientypen, die besser oder schlechter laufen, je nachdem, in welche Phase des Konjunkturzyklus wir uns befinden. Genau aus diesem Grund versuchen professionelle Anleger, die konjunkturelle Entwicklung zu antizipieren. Das ist deutlich leichter gesagt als getan, denn die Wirtschaft ist ein lebendiger Organismus, der gerade in den letzten immer wieder Entwicklungen gesehen hat, die von historischen Mustern abgewichen sind.
Welche Sektoren in welchen Phasen?
Trotzdem möchten wir hier einen kurzen Überblick über Konjunkturphasen und passende Aktientypen geben. Selbstverständlich sind diese Angaben mehr als Faustregel zu verstehen. Wichtig zu bedenken: Der Marktzyklus versucht die nächste Phase des Konjunkturzyklus und somit die Kursentwicklung zu antizipieren. Die Branche sollte also vor allem mit Blick nach vorne eine passende wirtschaftliche Perspektive haben. Nicht unbedingt in der Momentaufnahme.
Tiefe Rezession (Abschwung)
Das Wirtschaftswachstum in Form des Brutto-Inlands-Produkts (BIP) ist stark rückläufig, die Notenbanken senken als Entlastung die Leitzinsen. Das Konsumentenvertrauen ist am Tiefpunkt. Diese Sektoren haben historisch trotzdem Anleger überzeugt:
• Technologie
• Industrie-Werte
• Zykliker (Automobilbranche, Luxusgüter, Maschinenbau)
• Transport
Frühe Expansion (Aufschwung)
Die Wirtschaft gewinnt wieder an Momentum und der Zinssenkungszyklus ist abgeschlossen. Auch das Konsumentenvertrauen nimmt wieder zu. Auf Basis der Daten haben diese Sektoren Anleger anziehen können:
• Rohstoffe und Vorerzeugnisse
• Industrie
• Energie
Späte Expansion (Aufschwung)
Insbesondere zum Ende der Expansion, hin zum Boom, kühlen sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen langsam wieder ab. Möglich sind eine verschärfte Inflationsentwicklung, steigende Leitzinsen und bereits leicht stagnierende wirtschaftliche Produktivität. Folgende Sektoren stehen in dieser Phase im Fokus:
• Energie
• Basiskonsumgüter (Lebensmittel, Haushalt, etc.)
• Dienstleistungssektor (Beratung, Finanzdienstleistung, etc.)
Frühe Rezession (Abschwung)
Die Wirtschaft kühlt merklich ab. Unternehmen bauen stellen ab. Das Konsumentenvertrauen sinkt deutlich und der Zinsgipfel ist erreicht. Beliebt waren in dieser Phase oft folgende Sektoren:
• Dienstleistungssektor (nur zu Beginn der Phase)
• Versorger (bspw. Strom & Wasser)
Warum kein Boom?
Ihnen wird sicherlich aufgefallen sein, dass wir die Hochkonjunktur, oder einfach den „Boom“, ausgespart haben. Das hat einen einfachen Grund: In dieser Phase tendieren Volkswirtschaften und die Kapitalmärkte dazu, zu überhitzen. Auch die wirtschaftliche Depression haben wir ausgelassen, da sie in den meisten Industrienationen aufgrund politischer Maßnahmen nur noch selten auftritt.
Der Blick aufs Hier und Jetzt
Auch in der momentanen Gemengelage sprechen einige Marktbeobachter von einer Sektor Rotation. Die großen US-Tech-Aktien, die lange der so genannte „most crowded trade“, also die meistgekauften Wertpapiere waren, schwächeln seit einigen Monaten. Stattdessen zeigt sich am Beispiel des US-Leitindex S&P 500, dass auch die jüngste Index-Erholung vor allem von nicht-Tech-Titeln getragen wurde.
Einzelfallbetrachtung bleibt entscheidend
Werden Tech-Aktien also Opfer einer großen Sektor Rotation? Die Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Denn einerseits konnten gerade die Mega-Caps zuletzt nicht überzeugen. Andererseits waren sinkende Zinsen in der Vergangenheit immer wieder ein Treiber für Aktien aus dem Technologie-Sektor. Letztendlich führt bei Aktieninvestments kein Weg an der Einzelfallbetrachtung vorbei. Denn längst nicht jede Aktie entwickelt sich so, wie ihr Sektor.